Geraden an einer Geraden spiegeln

Es sollen Geraden an einer Geraden gespiegelt werden. Gefragt ist nach Gestalt und Lage der Bildfiguren. Die Option "Ortslinie" hilft uns dabei. In diesem Zusammenhang entwickeln wir ein 2-Schritt-Verfahren, das wir auch später als Ortslinien-Strategie einsetzen können:

(1) Eine Spiegelgerade a zeichnen ("Gerade")

(2) Eine Urgerade g zeichnen

(3) 1. Schritt: Das Bild der Geraden g als Ortslinie so markieren:

     -  Einen Punkt P auf g legen ("Punkt auf Objekt")

     -  P an a spiegeln (Makro Geradenspiegeln), den Bildpunkt P' nennen

     -  Die Option Ortslinie wählen, P mit der Zughand greifen und auf g wandern lassen. Die Ortslinie von
   P' ist das Bild von g. (Mit dieser Ortslinie kann man beim Cabri Géomètre nicht weiterarbeiten, man
   kann sie nur löschen. Deshalb benötigt man im allgemeinen einen weiteren Schritt.)

(4) 2. Schritt: Die Ortslinie so identifizieren:

     -  An Hand der Ortslinie eine Vermutung über Gestalt und/oder Lage der Bildfigur formulieren

     -  Die Ortslinie löschen

     -  Die vermutete Linie konstruieren

     -  Die Option Ortslinie noch einmal aufrufen, den Punkt P noch einmal auf der Geraden g wandern
   lassen und dabei die Ortslinie von P' noch einmal markieren

     -  Prüfen, ob sich die konstruierte Linie mit der markierten Ortslinie deckt

        Wenn sich beide Linien decken: Eine Aussage über die Bildfigur formulieren.

Diese Strategie läßt sich am Beispiel zu spiegelnder Geraden besonders gut entwickeln, wenn man vor dem allgemeinen Fall die Sonderfälle g^a und g||a betrachtet. Im ersten dieser Sonderfälle nämlich reicht der 1. Strategie-Schritt aus, erst im zweiten Fall wird auch der 2. Schritt benötigt, so daß beide Schritte unabhängig voneinander motiviert sind. In den folgenden Abbildungen ist nur der 1. Strategie-Schritt (Ortslinie markieren) gezeigt.

1. Fall: g ist senkrecht zu a

            (g durch einen Punkt R senkrecht zu a)

Wir beobachten: Wandert P auf g, so wandert P' ebenfalls auf g. Die Gerade g wird beim Spiegeln als Ganzes (jedoch nicht punkt­weise) auf sich selbst abgebildet. Ein und dieselbe Gerade ist Ur- und Bildgerade zugleich, es ist g'=g. g ist eine Fixgerade.

Den Vorgang mit anderen Senkrechten zu a wiederholen. Man erhält sie, wenn man den Punkt R mit der Zughand greift und seitlich zieht, dabei wird die Gerade g parallel verschoben.

Jede Senkrechte zur Spiegelgerade ist eine Fixgerade.

2. Fall: g ist parallel zu a

            (g durch einen Punkt R parallel zu a)

Wir beobachten: Wandert P auf g, so wandert P' auf der Parallelen zu a, die von a denselben Abstand hat wie g. Es ist die Bildgerade g' von g. g' ist nicht nur parallel zu a, sondern auch parallel zu g.

Die Bildgerade g' konstruiert man, indem man den Punkt R an a spiegelt und durch den Bildpunkt R' die Parallele zu a zeichnet.

Den Vorgang mit anderen Parallelen zu a wiederholen. Man erhält sie, wenn man den Punkt R mit der Zughand greift und ihn auf a zu oder von a weg zieht; dabei wird die Gerade g parallel verschoben.

Die Urgerade g auch parallel verschieben, wenn die Bildgerade g' konstruiert ist, und beide Geraden beobachten. Dabei ergibt sich auch der Sonderfall: Ist g=a, so ist g'=g. Damit wir für die Beziehung "ist parallel zu" keine Ausnahme machen müssen, sagen wir auch in diesem Sonderfall: g' ist parallel zu g. Die Spiegelgerade ist zu sich selbst parallel.

Damit die Spiegelgerade kein Sonderfall bleiben muß, verallgemeinern wir und sagen: Jede Gerade ist zu sich selbst parallel. Dann gilt aber auch für die Fixgeraden senkrecht zu den Spiegelgeraden: Ur- und Bildgerade sind parallel. Jetzt läßt sich der 1. und 2. Fall so zusammenfassen:

Für jede Urgerade senkrecht oder parallel zur Spiegelgeraden ist die Bildgerade parallel zur Urgeraden.

3. Fall: g soll zunächst weder senkrecht
            noch parallel zu a sein

            (g durch 2 Punkte R und S)

Wir beobachten: Wandert P auf g, so wandert P' ebenfalls auf einer Geraden, es ist die Bildgerade g'. Urgerade g und Bildgerade g' schneiden sich in einem Punkt F (Fixpunkt) der Spiegelgeraden a.

Die Bildgerade konstruiert man, indem man die Punkte R und S an a spiegelt und durch die Bildpunkte R' und S' eine Gerade zeichnet.

Den Vorgang mit anderen Geraden wiederholen. Man erhält sie, wenn man den Punkt R mit der Zughand greift und die Gerade um S dreht oder umgekehrt.

Die Urgerade g auch variieren, wenn die Bildgerade g' konstruiert ist, und beide Geraden beobachten. Dabei treten auch die beiden zuerst behandelten Sonderfälle auf: Ist g^a, so ist g'=g. Ist g||a, so ist auch g'||a. In beiden Fällen (und nur in diesen!) ist also g'||g.

Schließlich definieren wir für diesen allgemeinen Fall das Makro Geradenspiegeln-Gerade:

Eingabeobjekte:         Spiegelgerade a, die Punkte R und S (der Urgeraden g)

Zielobjekt:        Bildgerade g' (die durch R' und S' gezeichnet wurde)

Mit diesem Makro läßt sich sowohl eine "Gerade durch 2 Punkte" als auch eine "Gerade" mit 2 "Punkten auf Objekt" spiegeln. Die Urgerade kann auch durch einen Punkt gehen und der andere Punkt kann darauf liegen. Einer der beiden Punkte kann ein Fixpunkt (Punkt der Spiegelgeraden) sein.

Zu Anfang dieser Aufgabe haben wir uns gefragt, wie die Bildfigur einer Geraden aussieht. Diese Frage können wir jetzt beantworten:

Die Spiegelvorschrift bildet Gerade auf Gerade ab. Wir sagen: Sie ist geradentreu.